Gisela von Wysocki

ICH NEHME EIN BLAU. ICH NEHME EIN GELB

Akustisches Szenario über Charlotte Salomon (BR NDR 2003)

Regie: Bernhard Jugel. Sprecher: Karin Anselm, Manfred Zapatka, Peter Lersch https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/hoerspiel-und-medienkunst/hoerspiel-wysocki-salomon-100.html

FRAU SALADIN hat sich auf eine private Forschungsreise begeben, ihre Mutter war das Kindermädchen im Haus der Charlotte Salomon. Nun, viele Jahre später möchte die Tochter eintauchen in die Erlebnisspuren der Mutter. Sie wird zur Beobachterin eines Familienlebens in Deutschland, das die Zeit zwischen den beiden Kriegen von Anfang an aus dem Ruder laufen ließ. Zum ersten Mal begegnet FRAU SALADIN den explosiven Bild- und Textcollagen der Charlotte Salomon; den über tausend Gouachen, in denen sich die Künstlerin innerhalb weniger Monate mit ihrer Biografie auseinandersetzt.

(Das Rascheln der Buchseiten, das schnelle Blättern.) Immer wieder, ein plötzlicher Stillstand. Dieses Tableau einer finsteren Straße: eine Festung. Eine Erstarrung. Gleich daneben lauter Geschichtetes, wuchernd sich Überlagerndes. Dieses durchsichtige Automobil beispielsweise. Deshalb sehen die Personen wie eingelagerte Organe aus. Eine unterirdische Welt drängt sich einem auf. In den grellen Übertreibungen der Farben. In der geisterhaften Abfolge der Szenen. In der erregten, nruhigen Gefühlslage der Personen. Man hatte damals der Mutter gesagt, als ständige Begleitperson Charlottes für ihren Schutz zu sorgen. Bei ihrem Anstellungsgespräch habe Professor Salomon ihr mitgeteilt, die Straßen würden sich, seiner Beobachtung nach, mehr und mehr mit Gesindel anfüllen. Der Versailler Vertrag würde dieser Stadt bedauerlicherweise zusätzliche Schutzkräfte im Freien verbieten.