Gisela von Wysocki

FREMDE BÜHNEN

Mitteilungen über das menschliche Gesicht

Aufführung Theater am Neumarkt Zürich (2000). Regie: Christian Pade, Bühnenbild und Kostüme: Alexander Lintl

Foto: Alexander Lintl

Foto: Alexander Lintl

Eine sehr frühe Erfahrung. Das Gesicht meines Vaters als Tatort. Er kannte ein Spiel, bei dem er es blitzschnell mit seiner Hand verdeckte. Das Gesicht verschwand vor meinen Augen in einem Versteck. Dann, immer wieder, zog er die Hand fort, und ein neues Gesicht war zu sehen. In schnellem Wechsel zogen viele, fremde, erfundene Gesichter an mir vorüber. Ich war fünf oder sechs Jahre alt und hatte das ehrfürchtige Gefühl, einem Zauberer oder einem Geist gegenüberzusitzen. Zu meinem Vater, so schien mir, waren alle menschlichen Beziehungen abgebrochen. (Im Gespräch mit der Dramaturgin Maren Rieger)

Schon immer die Erfahrung, daß diese Augen nicht erwünscht waren. Die Leute fühlten sich zu lange angeschaut. Zu tief vielleicht. Die Augen erregten Ärgernis. Das erste Mal, dass sie zur Sprache kamen, war, als jemand sagte, es seien dreckige Augen. Später äußerte sich ein Mann, der meinte, es seien jüdische Augen. Auch so eine Bemerkung. Aber sie war freundlich gemeint. Alles das hat dazu geführt, dass die Augen anfingen, absichtlich woanders hinzuschauen. Sie kamen sich selber anstößig vor. (E.O., Rentnerin)
Der tiefe Wunsch, problemlos auf der Welt zu sein. Ihn stellt das innere, das eingebildete Gesicht dar. Jetzt ist es gerade gut zu sehen. Es ist schon lange da. Ein Gesicht, das sich einigelt, ein Fluchtgesicht, (B. W., Soziologin)