Gisela von Wysocki

SCHAUSPIELER TÄNZER SÄNGERIN

 

Uraufführung Schauspiel Frankfurt (1988). Regie und Bühnenbild: Axel Manthey. Mit Ulrich Wildgruber, Stephen Galloway, Slavka Taskova
(Wiederaufnahme) Kleines Haus, Stuttgart (1995)
Schweizer Uraufführung Theater Basel, 1990. Regie: Barbara Mundel und Veit Volkert.
Weitere Inszenierungen Kampnagel Fabrik, Hamburg, 1991
Museum für Angewandte Kunst, Wien, 1996.

Bühnenbild: Axel Manthey / Foto: Mara Eggert

Bühnenbild: Axel Manthey / Foto: Mara Eggert

Drei große Kinder stehen da auf der Bühne herum, komisch, ernst, feierlich. Man vergisst hier nicht für einen Augenblick, dass man in einem Theater ist. Jetzt mischt sich eine gezeichnete, fleischfarbene magische Hand in die Szene. Sie weist auf das Gemachtsein allen Bühnenzaubers. Das tut auch die Maske, die das Gesicht des Schauspielers halb verdeckt. Realität, verwandelt, übersetzt. Ein großer Mund, ein roter Pfeil, eine Treppe, ein blauer Flügel. „Axel Manthey who never decorated a stage“. Diesen Satz malte Robert Wilson ihm zum Geschenk wie ein Bild.

Die Primadonna fängt in früher Jugend damit an, die Stimme wie ein Turngerät zu benutzen. Zuerst fällt sie auf durch ihr Trillern. Das Trillern ist eine Vorform der Koloratur. Unter den Umarmungen nervöser Erwachsener entwickelt sich das kleine, kostbare Gewächs in ihrem Hals. Man kann es früh in großen Häusern wuchern sehen. Die Luft wird durch den Rachen hinab in die Lunge geführt. Jeder Ton eine angewandte Atemübung. Die Sopranistin atmet tiefer als die Denker, Dichter und Grübler. Sie stellt sich dabei vor, nach oben wegzufliegen.

Stimmen

Kein sprödes, kein selbstgefälliges Theater übers Theater, sondern eine brillante Etüde des Zeigens und Sehens; des Schau-Spiels. Alle drei bewegen sich mehr und mehr aufeinander zu: weil jeder von ihnen, das, was der andere hat und kann, für sich selber mitersehnt. (Peter von Becker, Theater Heute)

Der Schauspieler erfährt das Wort, der Tänzer seinen Körper, die Sängerin ihre Stimme. Hier werden die Künste befragt, als wäre nicht bald schon das Jahr 2000, sondern als beleuchte uns der Anfang der Welt. Neben dem Text, dessen kühlender intellektueller Humor ein Labsal für Ulrich Wildgruber zu sein scheint, bilden die drei Künstler eine wundervolle unabhängige Einheit. (Verena Auffermann, Süddeutsche Zeitung)

Eine theaterarchäologische Kampagne. Barthes bezeichnete das Theater als kybernetische Maschine, die Nachrichten an den Zuschauer abgibt. Wysocki zeigt, wie der Künstler die Nachrichtenimpulse erzeugt. Und welcher Anstrengung und Übung es bedarf, bis die Nachrichtenübertragung funktioniert. (Hubert Spiegel, FAZ)

Ein glänzender Traktat über Anatomie, Technik und Metaphysik des Bühnenmenschen. Jede Rede Ulrich Wildgrubers wird hier zum Monolog, jeder Tanz Stephen Galloways zum Solo, Slavka Taskovas Gesang zu einem Duett mit dem Schweigen. Und dann passiert es. Plötzlich hält der Schauspieler den Tänzer im Arm und tanzt selber. (Helmut Schödel, DIE ZEIT)

Barbara Mundel: „Ich würde diesen Text als polyphone Sprechpartitur bezeichnen. Gerade in der Freiheit, die er uns lässt, sehe ich einen seiner großen Reize. Es sind Texte von verschiedenster Provenienz, Bruchstückchen von Theateranekdoten, Künstlerbiographien, Bewegungssystemen, Arienfragmenten. Traumwadlerisch, dabei verdichtet. Einmal wird die Bühnensprache als eine ‚straffe Geistersprache’ bezeichnet.“