Gisela von Wysocki

KLOPFZEICHEN

Aufführung: Szenische Lesung. Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main (2003) Ensemble Städtische Bühnen. Regie: Brigitte Landes

Es sind Besessene, die sich von ihren Erlebnissen nicht lösen können. Nicht zur Ruhe Kommende. Narkotisierte. Nietzsches Wort „Auch Gott hat seine Hölle“ verknüpft die ausdauernd vorgetragenen Geschichten der Erzählenden. Ein Bariton und ein Chirurg beschäftigen sich mit den Details ihrer Kunstfertigkeit. Eine Büroangestellte beschreibt nach einem Wohnungsumzug, die Erfahrung, das zuvor von ihr bewohnte Apartment nun direkt gegenüberliegend vor Augen zu haben. Eine andere gruselt sich vor dem Wort „Verschmelzung“. Zwei Zeitzonen stoßen aufeinander: ein Schullehrer spricht zu einer Dame der Gesellschaft, die im Berlin der Dreißiger Jahre lebt. Ein Weltenbummler ist besessen von dem Wunsch, in der Wüste gekühlte Austern zu verspeisen.

(Teilnehmerin eines Tantraworkshops:) Ohne die Tanzschritte zu unterbrechen, folgten wir dem Dreivierteltakt der „Schönen, blauen Donau“. Dabei sollten wir nach und nach unsere Kleider ablegen. „Die Nacktheit“, sagte die Tantralehrerin, „soll zum Klingen gebracht werden“. Auf mich wirkte mein Körper ganz und gar unpassend in diesem Moment. Da klingt aber auch gar nichts, dachte ich, im Gegenteil, es hinkte etwas hinterher. An meinem Körper „klingen“ nur die Kleider, nur die sind auf der Höhe der Zeit; sind mitgewachsen. Farben. Stoffe. Überhaupt, der Entwurf. Der Körper selbst? Von oben bis unten, noch immer wie früher. In seiner Entwicklung stehengeblieben.